Hallole,
wie schon angekündigt, habe ich die letzte Woche zusammen mit einigen anderen
Austauschstudenten in New York verbracht; und wir hatten eine Menge Spaß!
Vorletzte Woche Samstag (18.2.) haben wir früh morgens unser Mietauto abgeholt
und da der versprochene Minivan nicht da war, haben wir zum gleichen Preis ein
SUV bekommen. In diesem wahrscheinlich über 2t schweren Panzer fanden wir nach
etwas Stopfen zu siebt samt Gepäck Platz und der Trip konnte beginnen. Nach
einer etwa 10 stündigen Fahrt, unterbrochen von einer kurzen
US-Visumantragspause kamen wir gegen 9pm in unserem Hostel, dem YMCA in
Brooklyn an.
Bevor wir jedoch den Abend genießen konnten, mussten wir eine unliebsame
Bekanntschaft mit der New Yorker Verkehrssituation machen: kostenlose
Parkplätze gibt es nur am Straßenrand und die sind alle belegt. Außerdem werden
die Straßen zwei Mal pro Woche von einer Putzkolonne gereinigt und während
dieser Zeit (dauert etwa 1,5h) muss die betroffene Straßenseite eben frei sein.
Also setzen sich die New Yorker zwei Mal die Woche 1,5h Stunden lang in ihr
Auto und lesen Zeitung. Anyway, nach längerem Suchen hatten wir endlich einen
sicheren und guten Parkplatz gefunden; dachten wir zumindest. Als wir am
Dienstag das Auto wegen der besagten Putztruppe umparken wollten, fanden wir
zwei kleine Zettelchen am Auto: Wir hatten vor einem Hydranten geparkt. Das
können die New Yorker Cops anscheinend gar nicht leiden, denn jedes Ticket war
$115 wert! Ein paar Tage später sind wir auf das Polizeirevier direkt gegenüber
vom Hostel gegangen um die unwissende Austauschstudentennummer abzuziehen und
nach einem Studentenrabatt zu fragen. Ein Polizist meinte jedoch, er würde sich
an unserer Stelle gar nicht darum kümmern, solche Delikte würden nur selten
nach Kanada verfolgt. Also zahlten wir eben nicht und warten nun einfach was
passiert…
Da man mit dem Auto in New York sowieso nicht weit kommt, waren wir froh, als
wir unser Auto schließlich legal geparkt hatten und benutzten fortan nur die
Subway und unsere Füße als Fortbewegungsmittel, wobei die U-Bahn auch etwas
gewöhnungsbedürftig ist: Am zweiten Abend haben wir von Südbrooklyn bis
Nordbrooklyn etwa 2,5h gebraucht. Manche Bahnen fahren eben erst “late at
night” (konkretere Informationen gibt es nicht), andere tagsüber auf anderen
Gleisen als nachts und einige fahren plötzlich andere Routen als geplant. So
entwickelte sich der running gag: “If G is not available, take the V to B or
not to B.” Der ist zwar ziemlich flach, aber nach mehreren Stunden unter Tage
wird er immer witziger…
Da wir jedoch unsere Zeit nicht nur mit Parkplatzsuche und U-Bahnfahren
verbringen wollten, stellte sich letztendlich Laufen als effektivstes
Fortbewegunsmittel heraus; und in den sechs Tagen haben wir sicherlich zwei
komplette Marathondistanzen bewältigt. Dabei sieht Manhattan auf der Karte doch
so klein aus!
Jetzt möchte ich aber kurz erzählen, was wir alles unternommen haben:
Samstag:
Nachdem wir gegen 10pm endlich unser Auto vor einem Hydranten geparkt hatten,
liefen wir die Manhattan Avenue in Brooklyn entlang, um die Gegend um unser
YMCA zu erkunden. In einem mittelmäßigen asiatischen Restaurant aßen wir einen
kleinen Snack und tranken anschließend ein Bierchen im “Stones”, begleitet von
tollem Mittneunzigerbilligtechno. Es stellte sich übrigens heraus, dass wir in
einem polnischen Viertel mit vielen netten kleinen und billigen Läden wohnten.
Sonntag:
Bei strahlendem Sonnenschein und eisiger Kälte begannen wir unsere Tour am
reizüberflutenden Times Square und marschierten zwischen vielen Wolkenkratzern
auf das höchste Gebäude New Yorks zu, das Empire State Building. Nach langem
Schlangestehen nahmen wir den Fahrstuhl auf die Aussichtsplattform und ließen
uns vom kultigen Audioguide Tony die Stadt unter uns erklären. Nun, da wir
einen Überblick von NYC bekommen hatten, beschlossen wir, die 5th Avenue gen
Norden zu schlendern, vorbei am Rockefeller Center, in dem etwa 60.000 Menschen
arbeiten, dem Chrysler Building, der St.Patrick’s Cathedral und vielen weiteren
Hochhäusern und Läden. Schon bald erreichten wir den Central Park, spazierten
durch dessen Südhälfte vorbei an einem Eislaufring und wärmten uns schließlich
mit einer heißen Schokolade im “Boathouse”. Da es schon dunkel wurde wanderten
wir nur noch durch Chinatown und über die Brooklyn Bridge ins Grimaldi’s, einer
Steinofenpizzaria in Südbrooklyn, wo ich die bisher beste Pizza Nordamerikas
gegessen habe. Nach der schon erwähnten 2,5 stündigen Rückfahrt fielen wir alle
hundemüde ins Bett und schliefen direkt ein.
Montag:
Nach einer kurzen Nacht und einem langen Frühstück im Triple-Decker, für den
wir vom YMCA Gutscheine bekamen, beschlossen wir, Südmanhattan zur erkunden:
City Hall, einige Courts und Ground Zero. Dort gibt es außer einer großen
Baustelle nicht viel zu sehen, jedoch befindet sich in der nahegelegenen
St.Paul’s Chapel eine ergreifende Austellung mit Bildern und Briefen an die
“Helden von New York”, “We will never forget!”. Na ja… Nach einem walk durch
die Wall Street fuhren wir schließlich im Battery Park mit der Fähre ab
Richtung Liberty Island, um der Miss einen Besuch abzustatten. Eigentlich
hätten wir mit unserem Ticket noch Ellis Island besuchen dürfen, aber leider
verpassten wir die letzte Fähre dorthin. Also mussten wir wieder zurück aufs
Festland und erreichten rechtzeitig vor Sonnenuntergang “The View”, ein sich
drehendes Restaurant im 45. Stock einen Marriot Hotels wo wir einen
traumhaften Blick über über NYC hatten. Wir waren zwar völlig underdressed (auf
dem Klo wurde einem sogar der Wasserhahn aufgedreht…), aber ein Bier konnten
wir uns gerade so noch leisten. Da das Essen dort zwar sehr gut aussah, aber
viel zu teuer war, brachen wir bald wieder auf und füllten unsere leeren Mägen
in einem billigen und sehr guten taiwanesischem Restaurant in Chinatown. Nach
einer diesmal deutlich kürzeren Rückfahrt kauften wir in einem 24h-Supermarkt
ein paar polnische Bier und ließen den Abend bei einer YMCA-Party mit
olympischem Eiskunstlauf in unserem Zimmer ausklingen.
Dienstag:
Das Frühstück war übrigens immer ein Highlight. Es gab reichlich gutes Essen
und einige Bedienungen waren einfach awesome (“Want some more coffee, mama?”).
An diesem Tag wollten wir uns den Norden Manhattans anschauen. Also
schlenderten wir zunächst durch die nördliche Hälfte des Central Park. Dort
fühlt man sich wirklich wie auf einer Insel inmitten der Großstadt: Es gibt
riesige Seen, viele Eichhörnchen und Enten und schmale Pfaden zwischen Bäumen
hindurch. Im Sommer, wenn die Bäume belaubt sind, bekommt man von den 9
Millionen Menschen um einen herum wahrscheinlich gar nichts mehr mit. Am
Nordrand des Parks setzten wir unsere Tour nach Harlem fort. Dort waren auf
einmal nur noch Schwarze und die Straßen hatten klangvolle Namen wie “Dr.
Martin Luther King Boulevard”, aber ansonsten änderte sich das Stadtbild kaum.
Gegen Abend fuhren wir wieder nach Südmanhattan und bewunderten die vielen
kleinen interessanten Läden in Soho, bis wir schließlich den Hunger in Little
Italy in einem kleinen italienischen Restaurant stillten. Auf dem Rückweg
machten wir natürlich wieder in unserem Stammsupermarkt halt um dort ein paar
Snacks und Getränke für die allabendliche YMCA-Party zu kaufen.
Mittwoch:
So langsam wurden die Beine müde und daher versuchten wir, das Laufpensum etwas
zu verringern. Nachdem am Montag die Zeit ja nicht mehr für Ellis Island genügt
hatte, beschlossen wir, mit unseren Belegen von der ersten Fahrt eine zweite
kostenlose Fährentour zu ergattern; und dank unserer Chief Negotiatorin Andrea
gelang uns das auch. So mussten wir zwar noch einmal die langen Warteschlangen
und Sicherheitschecks über uns ergehen lassen, wurden dafür jedoch mit einigen
interessanten Stunden auf der Einwandererinsel belohnt. In den früheren
Baracken befindet sich heute ein großes Museum rund um die Immigration in die
USA zwischen 1890 und 1950. Hier bekommt man ein gutes Gefühl für die Strapazen
der Immigranten und das Selbstbildnis der USA. Abendessen gab es an diesem Tag
in einem kleinen Nahostrestaurant in Greenwich Village; schließlich musste die
kulinarische Vielfalt New Yorks ausgenutzt werden. Den späteren Abend
verbrachten wir in einer Jazzbar mit Livemusik und Whisky on the Rocks, bis es
schließlich Zeit für die obligatorische, na was wohl, YMCA-Party wurde.
Donnerstag:
Da wir schon so viel gesehen hatten, wollten wir nun nicht mehr durch NYC
hetzen sondern Manhattan etwas genießen. Also spazierten wir langsam durch
Mid-Manhattan am Madison Square Garden vorbei, durch Macy’s, machten einen
Internet- und Postkartenschreibestop in der museumsartigen Public Library und
schlenderten schließlich durch den Theatre District am Broadway. Dort kauften
wir uns auch gleich ein paar Tickets für das Johnny Cash Musical “Ring of
Fire”. Bevor die Show begann hatten wir jedoch noch etwas Zeit um neue Ecken in
Greenwich Village und Soho kennenzulernen und dort ein paar Kaffee- bzw Heiße
Schokoladenpausen einzulegen. Vor dem sehr unterhaltsamen Musical aßen wir das
erste und einzige Mal amerikanisch: New Yorker Bagels mit Cream Cheese und
später American Pizza. Wie der Tag endete könnt ihr euch ja schon denken.
Freitag:
Für den letzten Tag hatten wir uns noch ein weiteres Highlight aufgehoben: Das
UN-Gebäude. Davor wollten wir jedoch noch etwas von Brooklyn sehen und liefen
dort durch einen großen Park. Angeblich wäre Brooklyn alleine mit seinen 2,5
Millionen Einwohnern die viertgrößte Stadt der USA und würde durchaus auch als
kultureller Leckerbissen durchgehen, wenn es nicht so sehr von Manhattan
überschattet würde; schade eigentlich. Na ja, wir nahmen danach jedenfalls an
einer Führung durch das UN-Gebäude statt und sahen all die Räume in denen
(zumindest symbolisch) Weltpolitik stattfindet: Das Zimmer des Sicherheitsrates
und die UN-Vollversammlung. Da das Museum of Modern Art freitags ab 4pm
kostenlos ist verbrachten wir anschließend dort ein paar beeindruckende Stunden
mit der Kunst des letzten Jahrhunderts. Da wir uns die U-Bahnfahrt zu einem
Restaurant aus dem Reiseführer ersparen wollten, beschlossen wir in der Nähe
des Hostels ein polnisches Lokal zu suchen und wurden schnell fündig. Wir waren
die einzigen nichtpolnischsprachigen Gäste, bekamen aber trotzdem viel gutes
und günstiges Essen. Das Highlight des Abends war der Besitzer des Restaurants
(oder war es doch nur ein Stammgast?), der sichtlich angetrunken unsere Teller
wegbrachte, uns von seinen beiden Filmen vorlallte, die er gerade drehe und uns
in sein 200km entferntes Haus zum Skifahren, Wandern oder Reiten einlud. Die
Bedienung wollte uns noch überzeugen, ein Konzert einer lokalen polnischen
Sängerin anzuschauen, das sich mit $45 jedoch als etwas zu teuer herausstellte.
Also: YMCA-Party. Eigentlich waren die legendären YMCA-Parties ja nur kleine
gemütliche Sit-Ins in unserem Zimmer, bei dem wir bei einem Bierchen fernsahen,
den Tag Revue passieren ließen oder uns einfach nur nett unterhielten.
Samstag:
Nach einer langen, ermüdenden, aber auch sehr schönen Woche standen wir am
Samstag mitten in der Nacht um 6am auf, um Zeit loszufahren. Schließlich
wollten wir auf dem Rückweg noch einen kleinen Schlenker über Boston machen.
Trotz eines Staus erreichten wir Boston am frühen Nachmittag und erledigten als
erfahrene Touristen Bosten in zwei Stunden. Schade, dass wir dort nicht mehr
Zeit hatten, denn in Boston gibt es richtig Geschichte: die erste anglikanische
Kirche Nordamerikas, die erste öffentliche Schule und auch den Balkon, auf dem
die Unabhängigkeitserklärung erstmals dem amerikanischen Volk präsentiert
wurde. Aber wir mussten ja weiter nach Waterloo und da wir mit unserem Panzer
noch ein paar Schneestürme durchqueren mussten, kamen wir dort erst um 3am
an…
So, jetzt habe ich viel mehr geschrieben als geplant. Ich hoffe, jemand hat es
bis hierhin geschafft… Bis bald,
Eike