In diesem Beitrag berichte ich ausführlich über unseren Alpencross 2005. Kommentare zur Vorbereitung und eine Packliste findet ihr hier
Tag 1: Oberstdorf – Freiburger Hütte
50km, 1550hm, 4h
Am Mittwoch den 20. Juli 2005 nahmen wir, drei Physikstudenten aus Heidelberg, unseren ersten Alpencross mit dem Mountainbike in Angriff. Gegen 9 Uhr morgens kamen wir in Oberstdorf an und waren noch etwas müde, da wir in der vorherigen Nacht nur etwa drei Stunden geschlafen hatten.
Als uns Oberstdorf jedoch mit strahlendem Sonnenschein begrüßte, war alle Müdigkeit verflogen und wir machten uns auf den Weg. Zwar hatte Arne schon auf den ersten paar Metern in Oberstdorf eine Taste seines nagelneuen Radcomputers verloren, aber schließlich schaffte er es doch, die Aufzeichnung der Fahrt mit einem Grashalm zu starten.
Zunächst zog sich ein guter Asphaltweg das Stillachtal hinauf, der jedoch mit der Zeit immer steiler wurde. Schließlich stiegen wir sogar ab um zu schieben; schließlich wollten wir nicht schon am ersten Tag unsere Kräfte leichtfertig vergeuden. Zum Glück war dieses steile Stück nur sehr kurz, aber die Freude über das Abflachen des Weges hielt nicht sehr lange, da er direkt in einen Pfad mit tiefem, schwerem Schlamm mündete. So mussten wir wiederum absteigen und konnten nicht verhindern, dass sowohl Schuhe als auch Räder komplett eingesaut wurden.
Nach dieser Schlammschlacht waren wir auch schon direkt im Anstieg zum Schrofenpass. Auf einem schmalen steinigen Weg schoben bzw. trugen wir unsere Räder den Hang hinauf. Zwischendurch kamen uns ein paar Wanderer entgegen, die uns warnten: Der Weg hoch zum Pass sei sehr beschwerlich und auch auf der darauffolgenden Abfahrt würden wir kaum fahren können. Aber schließlich hatten schon so viele Mountainbiker den Schrofenpass überquert, dann würden wir das auch irgendwie schaffen. Also schoben wir weiter.
Wenig später erreichten wir die berühmt berüchtigte Leiter an einer steilen Stelle des Hanges. Man konnte sie jedoch erstaunlich gut überqueren: Sie ist gut mit Geländern gesichert und solange man konzentriert läuft kann eigentlich nichts passieren. Kurz drauf hatten wir auch schon den ersten Pass der Tour bewältigt und es war Zeit für eine kurze Mittagspause.
Die Abfahrt vom Schrofenpass war wirklich nicht angenehm: Wir mussten oft absteigen um zu schieben und Arne stürzte sogar und zog sich eine tiefe Schnittwunde am Knie zu. Zum Glück konnte er problemlos weiterfahren. Auf Straßen fuhren wir weiter über Warth und Lech auf eine kleine Mautstraße, die uns zu unserem Tagesziel, der Freiburger Hütte, führen sollte. Dieses Sträßchen, auf dem wir nur den regelmäßig verkehrenden Bussen begegneten, zog sich ewig hin. Kaum hatte man ein paar Höhenmeter gemacht, so kam auch sofort eine kurze Abfahrt auf der man die hart erkämpfte Höhe wieder verlor. Aber schließlich erkannten wir die Freiburger Hütte am gegenüberliegenen Ufer des traumhaften Formarinsees und wir mussten nur noch den See umrunden um gegen 16:15 Uhr die Hütte zu erreichen.
Gegen Abend zogen jedoch Wolken vor die Sonne und brachten Regen und Kälte. So mussten wir an diesem Abend noch jämmerlich frieren, da die Hütte nicht beheizt war uns wir uns die Extrakosten für eine warme Dusche sparen wollten. Wären wir nur nicht so geizig gewesen…
Tag 2: Freiburger Hütte – Neue Heilbronner Hütte
46km, 2100hm, 6h
Am nächsten Morgen saßen wir gegen 8:15 Uhr wieder auf dem Rad, wurden jedoch diesmal von einem kühlen Nieselregen empfangen. Die Abfahrt nach Dalaas war entsprechend nass, schlammig und rutschig. Dabei musste ich auch einmal unkonventionell über den Lenker vom Rad steigen, aber bis auf ein paar Schürfwunden ist zum Glück nichts passiert. Auch unseren Bremsbacken tat der schlammige Untergrund nicht gut: Nach dieser Abfahrt waren alle zwölf Bremsbacken komplett abgeschliffen. Da wir nur zwei Paar Ersatzbelege dabei hatten, mussten wir uns nach einem Radgeschäft umschauen, wurden jedoch erst am nächsten Tag fündig.
Unten in Dalaas machten wir nur eine kurze Frühstücks- und Einkaufpause und fuhren direkt weiter auf der ewig langen (knapp 7 km) Schotterpiste hinauf zum Kristbergsattel. Von dort ging es auf einem guten Höhenweg leicht bergab bis ins Silbertal, wo wir im “Hasahüsli” eine gemütliche Mittagspause machten. Inzwischen hatte der Nieselregen zum Glück aufgehört und wir konnten nach dem Essen die ersten Sonnenstrahlen für diesen Tag genießen.
Nach der Mittagspause ging es direkt in den Schlussanstieg durch das Silbertal hoch zur Neuen Heilbronner Hütte am Verbellener Joch. Diese 20km zogen sich jedoch viel länger als erwartet: Zunächst hatte Mischa einen Platten der geflickt werden wollte und dann wurde der unregelmäßge Schotterweg immer schlechter, da er frisch aufgeschüttet und noch nicht befestigt war. Schließlich warteten noch zwei lange (je 1h) Schiebestücke auf uns. Als Erstes mussten wir über eine schlammige, felsige Kuhweide, auf der Arne einmal fast bis zum Knie einsackte. Nachdem wir den Fluss Rosanna auf einer Brücke überquert hatten, konnen wir wieder kurz fahren und überquerten ein kleines Schneefeld bis der Weg sich gabelte: Der rechte Weg führte direkt in den Fluss, während der linke weiter am Ufer entlang führte. Da in der Wegbeschreibung stand uns erwarte ein Umweg wenn die Rosanna nicht überquert werden könne, entschieden wir uns durch das eiskalte Wasser zu waten. Ein Fehler, wie wir später bemerkten, denn 50m weiter oberhalb hätten wir den Fluss auch auf einer Brücke überqueren können, ohne nasse Füße zu bekommen.
Nun folgte schließlich die zweite extrem steile Schiebepassage hoch zu Neuen Heilbronner Hütte, die wir gegen 18:50 Uhr erreichten. Dort erzählte uns der Wirt stolz, er hätte einen beheizten Trockenraum in dem unsere Schuhe über Nacht trocknen würden. Am nächsten Morgen waren unsere Schuhe jedoch immer noch klatschnass: Nicht der ganze Schuhraum war beheizt, sondern nur eine unscheinbare Schrankwand auf der linken Seite des Raumes. So mussten wir in nassen Schuhen weiterfahren…
Tag 3: Neue Heilbronner Hütte – Sesvenna Hütte
75km, 2600hm, 7:30h
Der dritte Tag sollte die Königsetappe werden. Da wir jedoch alle schon die Anstrengungen der letzten beiden Tage spürten und Mischa sich eine leichte Magenverstimmung eingefangen hatte, hatten wir, vage ausgedrückt, großen Respekt vor der kommenden Etappe. Aber so schnell wollten wir uns nicht unterkriegen lassen und wenigstens hatte der Wettergott wieder Erbarmen mit uns: Die zweite Etappe sollte der einzige Tag mit Regen bleiben.
Also standen wir voll motiviert um 6:30 Uhr auf um gegen 7:45 Uhr wieder auf dem Rad zu sitzen. Zunächst ging es auf einem groben Schotterweg von der Neuen Heilbronner Hütte bergab, der jedoch schließlich in einer breite, gute Asphaltstraße überging, auf der man es richtig rollen lassen konnte und so gleich richtig viel Strecke zurücklegte. In Ischgl fanden wir auch endlich das langersehnte Radgeschäft und konnten endlich die völlig abgenutzen Bremsbacken ersetzen.
Von Ischgl aus ging es dann direkt auf den über 2600m hohen Fimberpass, den ersten richtig hohen Berg der Tour. Die steile Asphaltstraße ging schon bald in einen Schotterweg über und auf diesem ewig langem Anstieg fuhr irgendwann jeder sein eigenes Tempo, so dass wir zwischendurch immer mal aufeinander warten mussten. Kurz nachdem wir die Grenze in die Schweiz überquert hatten, erreichten wir die Heidelberger Hütte, wo wir eine ausgiebige Mittagspause machten. Die war auch nötig, denn die verbliebenen Meter bis zum Pass mussten über eine unangenehme 45 minütige Schiebepassage bewältigt werden.
Die darauffolgende Abfahrt brachte wenig Erleichterung: Sie war technisch sehr anspruchsvoll, so dass wir die meiste Zeit schieben mussten. Außerdem bekam ich dabei am Knie starke Schmerzen (war wohl eine entzündete Sehne) was den Abstieg noch weiter verlangsamte und Mischas Magen meldete sich auch wieder. So legten wir den ersten Teil des Abstieges fast langsamer zurück als den Anstieg und wir diskutierten schon, ob wir nicht im nächsten Ort eine Pension suchen sollten. Aber schließlich wurde der Pfad breiter und mündete in eine kurvige, aber übersichtliche Asphaltstraße, die wir in Tour de France Manier runterheizten.
Unten angekommen mussten wir die Entscheidung treffen: Weiterfahren oder im Tal übernachten. Es war etwa 16 Uhr und vor uns lag noch der lange Anstieg durch die Val d’Uina Schlucht mit etwa 1200hm hinauf zu Sesvennahütte. Wir entschlossen uns fürs Weiterfahren; wenn es gar nicht mehr ginge könnten wir uns ja einfach wieder ins Tal rollen lassen. Und so kämpften wir uns den schwierigen Schotterweg bergauf, über ein paar extrem steile Rampen. Schließlich kamen wir nach einem Waldstück auf einer Weide raus und sahen vor uns die berühmte Galerie der Val d’Uina Schlucht.
Diesen Weg, der direkt in eine Steilwand gesprengt worden war, mussten wir also entlang. Nach einer weiteren steilen Schiebepassage hatten wir diesen spektakulären Pfad endlich erreicht. Zum Glück war er gut gesichert: Es gab immer entweder ein Geländer oder ein Drahtseil an der Felswand. Diese Passage war wirklich beeindruckend: Man schiebt direkt an einem vermutlich 100m tiefen Abgrund entlang. Da wir alle schon sehr müde waren, bündelten wir noch einmal all unsere Konzentration und brachten langsam und vorsichtig diese Galerie hinter uns.
Als wir schließlich den Pass erreicht hatten, dachten wir so weit könne es doch nun nicht mehr sein. Mein Kräfte schwanden jedoch allmählich, so dass ich auf dem Pfad nur noch geschoben habe, obwohl man vermutlich auch hätte fahren können. Nachdem wir unendlich viele kleine Kuppen überwunden hatten (“Aber hinter der nächsten Kuppe müsste diesmal wirklich die Hütte sein!”), sahen wir gegen 20 Uhr schließlich den kleinen See vor uns, der signalisierte, dass wir es endlich geschafft hatten.
Nach einer riesigen Portion Spaghetti samt Vor- und Nachspeise in der italienischen Hütte hatten wir nur noch die Kraft zu Duschen, die Wunden zu versorgen und anschließend ins Bett zu fallen. Obwohl bei uns im Lager ein Schnarcher übernachtete schliefen wir alle gut mit dem beruhigenden Gefühl, dass der nächste Tag etwas lockerer werden sollte. Was sind schon 1700hm? ;–)
Tag 4: Sesvenna Hütte – Trafoi
48km, 1700hm, 4:30h
Nach der anstrengenden Königsetappe ließen wir es erst einmal ruhig angehen, schliefen aus (bis 7:30 Uhr) und fuhren nach einem ausgiebigen Frühstück erst gegen 9:15 Uhr wieder weiter. Die Abfahrt von der Sesvennahütte war zunächst steil und forderte einige Konzentration, aber schon bald wurde der Schotterweg besser und ging schließlich in eine asphaltierte Straße über. Auch nach der Abfahrt konnten wir uns noch eine Weile erholen und bei strahlendem Sonnenschein die gemütliche flache Fahrt durch Südtirol genießen. Da wir mittags an keiner Hütte vorbeikommen würden, beschlossen wir in einem kleinen Tante-Emma-Laden im Dörfchen Lichtenberg Verplegung für eine spätere Mittagspause zu kaufen. Der Südtiroler Schinken sah dann aber so gut aus und die Sonne schien so warm, dass aus der kurzen Einkaufspause eine vorgezogene Mittagspause wurde und wir vor der Abfahrt gleich noch einmal Essen kaufen mussten.
Nach dieser Pause ging es dann aber wieder bergauf. Obwohl die Wegbeschilderungen in Italien gleich deutlich schlechter waren als in der Schweiz oder in Österreich, fanden wir zunächst den richtigen Weg. Irgendwann konnten wir aber an Weggabelungen gar keine Schilder mehr finden und nahmen prompt den falschen Weg. Er stellte sich zwar Abkürzung heraus, war aber dafür auch entsprechend steil. Also mussten wir wieder einmal schieben, was meiner entzündeten Sehne gar nicht gut tat. Bald hatten wir jedoch den ersten Hügel des Tages erklommen und nach einer zweiten Mittagspause und einer kurzen schnellen Abfahrt waren wir auch schon im nächsten Anstieg zur Furkelhütte. Dieser zweite Anstieg war angenehm zu fahren und als wir unseren Rythmus gefunden hatten war auch die Länge des Anstiegs nicht mehr so schlimm.
An der Furkelhütte angekommen sahen wir schon das gewaltige Ortlerpanorama vor uns. Dort würden wir am nächsten Tag zum Glück nicht drüberfahren müssen, aber die Umgehung über das Stilfser Joch würde auch kein Kinderspiel werden.
Von der Furkelhütte aus hatten wir nur noch die Abfahrt nach Trafoi vor uns. Und die hat richtig Spaß gemacht: Sie war zwar technisch anspruchsvoll, so dass wir ab und zu absteigen mussten, aber den größten Teil konnte man über Stufen, Wurzeln und durch enge Kurven im Wald gerade noch fahren. Als wir gegen 17 Uhr in Trafoi ankamen ging die Zeit der Berghütten zu Ende und wir mussten in einer Pension übernachten. Dass es dort kein Abendessen gab stellte kein Problem dar, weil wir dafür einen Gutschein für ein nobles Dreigängemenu (mit Nachschlag) in einem benachbarten Hotel bekamen.
Tag 5: Trafoi – Santa Caterina Valfurva
54km, 2170hm, 5h
Nach einer erholsamen Nacht waren meine Knieschmerzen zwar deutlich besser geworden, aber wie bei Mischa meldete sich nun auch bei mir Magen. Außerdem fing auch Arnes Sehne am Knie leicht an zu schmerzen. Da wir die Wirtin überredet hatten, schon etwas früher als die anderen Gäste Frühstück zu bekommen, konnten wir schon gegen 8:15 Uhr losfahren. Dieser Tag begann jedoch nicht mit einer gemütlichen Abfahrt, nein, direkt vor der Pension wartete die erste von 42 Spitzkehren hinauf aufs Stifser Joch auf uns. Dieser Anstieg hatte es in sich: 14km und 1200 Höhenmeter bis auf auf über 2700m hoch und das Ganze ja wie immer mit 8kg Gepäck auf dem Rücken. Die Straße war asphaltiert und entsprechend gut zu fahren und wir wurden nur von Autofahrern und vielen verrückten italienischen Rollerfahrern bedroht.
Arne flog den Alpenriesen wie einen kleinen Kraichgauhügel hoch und war schon nach 1:30h am Gipfel angekommen. Mischa und ich fuhren ein eher gemütliches Tempo (obwohl auch wir voller Stolz mit ein paar Rennradfahrern ohne Gepäck mitgehalten haben) und kamen erst eine halbe Stunde später an.
Auf dem Gipfel mussten wir ersteinmal einen Schock verkraften: Dort erwartete uns keine Alpenidylle sondern riesige Parkplätze für Autos, Busse und Motorräder, mehrere Hotels und sogar Würstchenbuden. Dem Wurstgeruch konnten wir zum Glück widerstehen, aber eine heiße Schokolade tat in 2700m Höhe dann doch sehr gut.
Wir beschlossen, den kurzen Anstieg auf die Dreisprachenspitze auszulassen und machten uns auf eine kurze Abfahrt um dann auf einem traumhaften schmalen Trail am Hang entlang auf den höchsten Punkt unseres Alpencrosses zu klettern: Bocchetta di Forcola (2768 m). Dort oben genossen wir eine Weile den traumhaften Blick über den rauhen Ortler hinter uns und die im Gegensatz dazu schon fast sanfte Bergkette vor uns.
Nun hatten wir zunächst eine lange traumhafte Abfahrt auf einer alten, manchmal tückischen, Schotterpiste vor uns, die im ersten Weltkrieg als Militärstraße genutzt worden war. Man fühlte sich vollkommen alleine in der Wildnis, nur einmal begegneten uns drei weitere Mountainbiker und die waren schon zu viel: Arne wollte posen, ist dabei zu schnell über eine Steinrinne gefahren und hat sich dabei ein richtig großes Loch in den Schlauch geschlagen. Also: Pause und Schlauch wechseln. Die andere Mountainbikergruppe, die wir übrigens am nächsten Tag wieder treffen sollten, machte wenige Meter weiter unterhalb ebenfalls eine Pause. Also musste Arne mit seinem neuen Schlauch wieder zeigen was er drauf hat und PAFF, der nächste Schlangenbiss. Zum Glück hatten wir noch einen zweiten Ersatzschlauch dabei! So kamen innerhalb von 20m zwei von insgesamt drei Platten während der insgesamt 430km zu Stande.
Die restliche Abfahrt verlief jedoch problemlos und nach einem kurzen aber giftigen Gegenanstieg waren wir schon in Bormio angekommen. Dort gönnten wir uns noch ein kurze Pause in einem kleinen italienischen Straßencafe, bevor es auf einer Autostraße noch einmal 500hm hinauf nach Santa Caterina Valfurva ging. Die Straße war angenehm zu fahren da sie nicht sehr steil war, aber entsprechend lange zog sich der Weg auch hin. Die Magenprobleme, die Mischa nun schon seit 3 Tagen plagten hinterließen mittlerweile auch ihre Spuren und er musste sichtlich leiden. Aber er kämpfte sich entschlossen durch und gegen 17:30 Uhr erreichten wir unser Tagesziel. Am nächsten Tag waren Mischas Magenprobleme zum Glück überwunden und auch meine Knieschmerzen ließen nach, so dass wir die letzten beiden Tage einigermaßen schmerzfrei hinter uns bringen konnten.
An diesem Tag ging übrigens auch die Tour de France 2005 zu Ende und da wir einen Fernseher auf dem Zimmer hatten konnten wir noch die Siegerehrung verfolgen und waren alle erstaunt, dass “Uns Ulle” es nach einer fulminanten Schlusswoche doch noch aufs Podium geschafft hatte. Das Abendessen war zwar für Alpencrossermägen etwas zu dürftig, aber die Nacht dennoch sehr erholsam.
Tag 6: Santa Caterina Valfurva – Dimaro
76km, 2000hm, 6h
Die sechste Etappe begann ähnlich wie die vorherige – mit einem längerem Anstieg. Da wir aber am Nachmittag zuvor schon 500hm hinter uns gebracht hatten, blieben vom Gaviapass “nur” noch 900hm übrig. Im Vergleich zum Silfser Joch war der Gaviapass aber angenehmer zu fahren, da er nicht so steil war. Also fuhren wir gemeinsam relativ gemütlich die Straße herauf, auf der zum Glück kaum Autos unterwegs waren und da wir uns die ganze Zeit unterhielten verging die Zeit relativ schnell. Oben angekommen trafen wir wieder die drei Mountainbiker (Dominik, Jan und Thilo), die wir schon auf der Abfahrt vom Stilfser Joch getroffen hatten und fuhren die nächsten paar Stunden gemeinsam mit ihnen. So konnte Jan auch ein “Passfoto” von uns dreien machen.
Die Abfahrt auf der Rückseite des Gaviapasses war mit einem Tunnel nicht ganz ungefährlich und sehr schnell. So schnell, dass wir erst im letzten Moment die Abfahrt ins Val Camonica bemerkten. Von nun an ging es wieder bergauf auf die Montozzo-Scharte, die mit 2613m den letzten richtig hohen Berg unseres Alpencrosses darstellte.
Der nicht enden wollende Schotterweg zog sich durch ein traumhaftes Tal und wir machten einige Male Pausen um die Landschaft zu genießen. Je höher wir kamen, desto steiler schien der Pfad zu werden und wir waren alle froh als kurz unterhalb des Passes die kleine Hütte Rifugio Bozzi auftauchte, wo wir eine Mittagspause einlegten. Da wir uns auf etwa 2500m befanden, war es sehr kalt und windig, weshalb wir auch in der Hütte alle Kleidung trugen, die wie dabei hatten.
Nach dem Mittagessen fuhren wir mit dem beruhigenden Gedanken los, dass wir nur noch etwa 20 Minuten bergauf schieben mussten und dann nur noch die ewig lange Abfahrt von 2600m auf 800m vor uns hatten. Die ersten 800hm bergab zum Lago di Pian Palu würden aus Trails bestehen und der Rest aus Asphaltwegen.
Und unsere Vorfreude wurde nicht entäuscht: Wir hatten einen traumhaften Blick auf den tiefblauen Lago di Pian Palu weit unter uns und die Trailabfahrt war wohl eine der schönsten der ganzen Tour. Die schmalen Singletrails waren sehr anspruchsvoll aber nach einiger Zeit trauten wir uns, auch die schwierigeren Passagen auf dem Rad zu meistern. Obwohl wir alle mehrmals ein Risiko eingingen, stürzte zum Glück niemand.
Unterhalb des Sees ging der Trail in eine rasend schnelle Straßenabfahrt über und mit jeder Minute spürten wir, wie es wärmer wurde. Nachdem wir vor wenigen Stunden auf 2600m Höhe noch jämmerlich gefroren hatten gönnten wir uns nun im Tal eine Pause und aßen in einem gemütlichen alten Dorfzentrum ein Eis. Dabei trafen wir auch Jan, Dominik und Thilo wieder, die uns bei der Mittagspause verlassen hatten und beschlossen, abends im gleichen Hotel zu übernachten.
Die letzten Kilometer bis Dimaro waren relativ flach, zogen sich jedoch noch unerwartet lange hin. Das lag unter anderem daran, dass wir uns auf den schlecht beschilderten Radwegen mehrmals verfuhren und umkehren mussten. Schließlich erreichten wir jedoch ein nettes Hotel in Dimaro und konnten den Abend gemütlich ausklingen lassen.
Ein Highlight gab es aber noch, das Abendessen: Ein großer Salatteller vom Buffet, als Vorspeise ein paar Blätterteigtaschen, als zweite Vorspeise einen Teller Spaghetti Carbonara, dann die Hauptspeise mit einer gegrillten Forelle die kaum auf den Teller passte und dazu Kartoffeln. Danach waren wir schon pappsatt und konnten es kaum glauben, als der Kellner uns noch eine zweite Forelle anbot, die wir aber dankend ablehnen mussten. Nach einer kurzen Pause passte aber noch der Nachtisch rein: Zuerst ein Früchtecocktail und anschließend ein paar Kuchenstücken und Apfelstrudel. Der Vollständigkeit halber sollte ich noch erwähnen, dass wir vor dem Abendessen zu dritt noch ein Tüte Pflaumen und 300g Schokokekse plattgemacht haben. Ich habe gar nicht gewusst, dass so viel in einen Magen passen kann…
Tag 7: Dimaro – Riva del Garda
86km, 2050hm, 6h
Am nächsten Morgen waren wir alle froh, dass nach all den (trotz allem sehr schönen) Strapazen der letzten Tage nun die Schlussetappe nach Riva del Garda anstand. Aus irgendwelchen Gründen war Mischa schon früh morgens wach und wollte den Sonnenaufgang fotografieren, wobei die diese beiden Bilder entstanden.
Doch auch der letzte Tag würde noch mal einigen Schweiß kosten. Direkt am Anfang mussten auf einer unangenehmen, unregelmäßig steilen Schotterpiste fast 1000hm hinauf nach Madonna di Campiglio überwunden werden. Da wir nun zu sechst unterwegs waren und jeder sein Tempo fuhr, legten wir öfter mal eine kurze Pause ein. In Madonna fanden wir zunächst nicht den gesuchten Weg, aber die “Eingeborenen” waren immer hilfreich und so erreichten wir schon bald den größten Wasserfall in der Brenta.
Die idyllische Natur konnten wir jedoch nur kurz genießen, da der Schotterpfad sich nun wieder bergauf Richtung Bärenpass wand. Auch dieser Anstieg zog sich wieder unerwartet lange hin und an dessen steilen Ende mussten wir sogar 30min lang schieben. Als wir in strahlendem Sonnenschein auf dem Bärenpass (1836m) ankamen, nahmen wir uns Zeit für eine ausgiebige Mittagspause und legten uns in die Sonne. Nun, da fast alle Schwierigkeiten überwunden waren, machte sich auch schon bald das euphorische Gefühl breit, die Alpen bald überwunden zu haben. Vor uns lag lediglich noch ein 300hm Anstieg auf einer angenehmen Asphaltstraße und fast 1800hm bergab!
Die Schotterabfahrt nach Stenico war schnell, aber nicht ganz einfach. Dennoch war es sehr angenehm die Beine hängen zu lassen und nur mit den Bremsen zu arbeiten. In Stenico wurden wir von der warmen italienischen Sommersonne begrüßt und da wir noch etwas Zeit hatten gönnten wir uns eine Eispause.
Nun also noch der letzte kurze Anstieg über den Passo Ballino (763 m) und danach die lange Abfahrt hinunter nach Riva. Arne und ich hatten beschlossen, an diesem finalen Anstieg mal zu testen, wie viel Kraft nach dieser anstrengenden Woche noch in unseren Oberschenkeln ist. Und auch Mischa war anscheinend richtig motiviert, so dass unter seinem (unbeabsichtigten) Tempodiktat am Anfang der Steigung schon einige reißen lassen mussten. Nachdem wir einige Male auf die anderen gewartet hatten, sagte Jan schließlich, wir sollten doch unser Tempo fahren und oben warten. Das ließ Arne sich nicht zweimal sagen, schaltete aufs mittlere Blatt und lancierte seinen (mittlerweile legendären) Antritt. Ich war froh, dass ich gerade noch seinen Windschatten halten konnte, als er mit über 20km/h den Anstieg hinaufflog. Da Mischa sich beim Antritt verschaltet hatte, warteten Arne und ich kurz auf ihn und jagten schließlich zu dritt auf den Pass. Obwohl 300hm auch sehr lang sein können verlieh uns die Vorfreude auf den Gardesee noch zusätzliche Kräfte und wir hielten unser Tempo bis zum Gipfel durch. Dort fielen wir quasi vom Rad und warteten auf unsere Mitstreiter, die uns nach nur drei Minuten erreichten.
Nun konnten wir uns die breite Asphaltstraße nach Riva hinunterrollen lassen und waren nur noch bemüht, nicht leichtsinnig zu stürzen. Auf einmal ging Jubelgeschrei durch die Gruppe: Der langersehnte erste Blick auf den Gardasee.
Die restlichen Kilometer rollten wir wie in Trance entlang bis wir schließlich direkt am Seeufer standen und dieses Abschlussfoto machen ließen.
Als die größte Euphorie sich langsam abgebaut hatte (völlig verschwand sie erste mehrere Tage später), machten wir uns auf die Zimmersuche und fanden nach mehreren erfolglosen Anfragen eine billige Pension. Den Abend ließen wir mit einem kühlen Weizenbier, einer Lasagne, einer Pizza und einem anschließenden großen Eis ausklingen und fielen schließlich müde ins Bett.
Den darauffolgenden Tag genossen wir am Strand des Gardasees bis Arnes Vater uns freundlicherweise am Nachmittag abholte und wir (im Auto) die Alpen zum zweiten Mal überquerten. Nach dieser ereignisreichen, qualvollen und traumhaften Woche war eines klar: Nächstes Jahr kommen wir wieder.